Der ländliche Raum nimmt in der politischen Debatte einen großen Stellenwert ein. Diskutiert wird dabei meist über die unterschiedlichen Herausforderungen und Entwicklungschancen. Doch der Begriff selbst ist schwer zu fassen, da es unzählige Sichtweisen und Definitionen gibt. Einerseits ist dies durch die verschiedenen methodischen Herangehensweisen erklärbar, andererseits stellen die ländlichen Gebiete keine einheitliche Raumeinheit dar.
Land und Stadt: Ein Abgrenzungsproblem
Der ländliche Raum ist in seinem territorialen Umfang nicht eindeutig abgrenzbar – der Übergang zu städtischen Gebieten ist vielmehr ein fließender. Die eindeutige Unterscheidung ist in den vergangenen Jahrzehnten schwierig geworden. Städte und Dörfer sind etwa entlang von S-Bahn-Strecken und Autobahnen zu funktionalen Räumen zusammengewachsen. So sind Mischformen und Zwischenbereiche entstanden, die nicht mehr auf Anhieb als ländlich oder städtisch erkennbar sind.
Selbst auf ExpertInnenebene lässt sich kein Konsens darüber finden: Die Statistik Austria etwa unterteilt Österreich in vier Raumkategorien – nach dieser Systematik lebt ein Großteil der österreichischen Bevölkerung (66 Prozent) in sogenannten „Stadtregionen“. Zu einem völlig anderen Ergebnis kommt hingegen die OECD. Nach dem dortigen Berechnungsmodell lebt eine relative Mehrheit der ÖsterreicherInnen (40,5 Prozent) in ländlichen Gebieten.
Abseits dieser unterschiedlichen Typologien sind die Lebens- und Bezugsräume vieler Menschen jedoch gemeinde- bzw. regionsüberschreitend. Sie bewegen sich in funktionalen Räumen, die häufig politisch-administrative Grenzen überschreiten und somit nicht in die historisch gewachsenen politischen und planerischen Kulturen passen.
Land ≠ Land
Ländliche Gebiete unterscheiden sich in ihren Entwicklungsmöglichkeiten zum Teil beträchtlich. Ausschlaggebend dafür sind etwa räumliche Gegebenheiten, touristische Potenziale, Verkehrsanbindungen oder der allgemeine Infrastrukturausbau. Die Folgen sind meist in der längerfristigen Bevölkerungsentwicklung bzw. bei den Wanderungsströmen (Zu- und Abwanderung) erkennbar. Auf diesen Grundlagen hat die „Österreichische Raumordnungskonferenz“ in Rahmen eines Projektes den ländlichen Raum in drei Kategorien unterteilt:
- Ländliche Gebiete in urbanisierten Regionen
- Ländliche Gebiete mit Intensivtourismus
- Ländliche Gebiete in peripherer Lage
Während ländliche Gebiete im Umland von Städten von einer hohen Entwicklungs- und Siedlungsdynamik profitieren, sind periphere Regionen oftmals mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Dazu gehören unter anderem Abwanderung, Infrastrukturabbau und der Rückgang von Arbeitsplätzen. Gebiete mit intensiver touristischer Ausrichtung profitieren einerseits von den sich dadurch ergebenden Möglichkeiten, sind andererseits aber von der wirtschaftlichen Monostruktur abhängig.
Welche Regionen wachsen und welche schrumpfen
Die Bevölkerungsentwicklung ist regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Allgemein gilt: Während größere Städte und Ballungsräume im Wachsen begriffen sind, haben periphere Gebiete mit Abwanderung zu kämpfen.
In den kommenden drei Jahrzehnten werden viele Landeshauptstädte (Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Wien) und die angrenzenden Regionen (z. B. Gänserndorf, Schwechat) um ein Viertel bis zu einem Drittel wachsen.
Hingegen sind die östliche (Leoben und Bruck-Mürzzuschlag) bzw. westliche (Murau und Murtal) Obersteiermark, Ober- (Spittal, Hermagor) und Unterkärnten (St. Veit, Wolfsberg), das Waldviertel (Zwettl) sowie der Süden Salzburgs (Tamsweg) mit stärkeren Bevölkerungsrückgängen konfrontiert.
Alexander Neunherz